Brahms gewidmet | Projektbericht

Bernhard Scholz: Streichquintett E-Dur op. 47 – Rezensionen

SmW 1878, S. 1060: zum Konzert 25. November 1878 in Dresden:
»Die zweite Soirée für Kammermusik von J. Lauterbach, F. Hüllweck, L. Göring und F. Grützmacher fand unter Mitwirkung der Herren Demnitz und Hüllweck jun. am 25. November statt. Die erste Programmnummer bildete das preisgekrönte Quintettin Emoll Op. 47von B. Scholz. Dasselbe sprach wenig an und lieferte wieder den Beweis, daß das unbefangene und vorurtheilsfreie Publicum sehr wohl den Unterschied zu machen weiß zwischen einem gut ausgeführten contrapunktischen Rechenexempel und wirklicher Musik. Besonders leer sind der erste und zweite Satz, der dritte (Andante espressivo) hat hübsche Momente aufzuweisen. Das Quartett in Dmoll von Schubert und das Quintett für Clarinette und Streichinstrumente von Mozart folgten und entzückten sowohl durch ihren eignen hohen und unvergänglichen Werth, als auch durch die hinreißend schöne Ausführung. […]«
NZfM 75/17 (18. April 1879), S. 173: zum Konzert 25. November 1878 in Dresden:
»Lauterbach’s zweiter Abend brachte unter Mitwirkung von Hüllweck jun. als Neuheit ein Streichquintett von Bernh. Scholz, mit dem der Componist den Petersburger Preis errungen hatte. Daß bei Preisausschreibungen selten etwas wirklich Ersprießliches herauskommt, ist eine bekannte Sache. Das wird durch dieses Quintett auf’s Neue bewiesen. Anzuerkennen ist es, daß es der Componist sehr ernst mit seiner Aufgabe genommen hat, denn tüchtige harmonische Durcharbeitung formelle Gewandtheit und Haltung im Kammermusikstyle sind dem Werke nicht abzusprechen, dagegen reicht die schöpferische Kraft nicht aus für diese große Form. Am Bedenklichsten tritt dieser Mangel im ersten und vierten Satz hervor. Wahrhaft wirksam ist nur das Larghetto, demnächst das Trio der [sic] Menuett.«
Die Gegenwart 14/52 (1878), S. 430: zum Konzert 16. Dezember 1878 in Berlin:
»Mit dem Ausgange des Jahres schloß auch der erste Cyclus der Joachim'schen Quartettabende. Ich enthalte mich einer besonderen Auslassung über die Unfehlbarkeit dieser künstlerischen Vereinigung, indem ich voraussetze, daß der Leser hierin vollständig unterrichtet ist, und ich ihm nichts, was er nicht schon wüßte, mittheilen kann. Durch die Hinzuziehung des Herrn Hausmann wurde uns an diesem Quartettabend die Kenntniß eines neuen Quintetts von Bernhard Scholz (Emoll Op. 47) ermöglicht. Der Componist, durch seine vielfach vorgeführten Werke für Kammermusik in Deutschland als einer der berufensten längst erkannt, hat in diesem neuesten Erzeugnisse seiner Kunst nicht nur seinen alten Ruf bewahrt, sondern erhöht. Es ist schon die Absicht allein, eine fünfstimmige Composition zu wagen, nicht hoch genug anzuschlagen, wenn man in Erwägung zieht, daß der Altmeister Haydn, der doch im Ensemble von Streichinstrumenten zu Hause war, von sich selber äußerte, er könne kein Quintett schreiben, weil er nicht wüßte, was er mit der fünften Stimme anfangen solle. Hieran anknüpfend erschien mir wohl manchmal bei dem einmaligen Hören, und namentlich sei das Adagio angeführt, als suche sich das eine Cello vorübergehend den Platz, den es seiner Wichtigkeit nach im Quintett einzunehmen hat. Es machte den Eindruck, als wollte es aus seiner Unterordnung als Füllstimme, in die es gerathen, zu aufdringlich auftreten. Dieser mit Vorsicht aufzunehmende Einwand, der vielleicht bei näherer Kenntnißnahme der umfangreichen, anziehenden Composition zu nichte wird, wäre die einzige Ausstellung, die ich mir dem Werke gegenüber erlauben möchte. In allen Theilen von den Concertgebern mit warmem Interesse erfaßt und meisterlich durchgeführt, errang das Quintett eine ungetheilte Anerkennung, und es ward uns die freudige Wahrnehmung zu Theil, daß auch das Neue, noch nicht Verbriefte, in dieser Versammlung nicht als Schreckphantom angesehen wird. H. Krigar.«
Der Klavierlehrer 2/1 (1. Januar 1879), S. 7: zum Konzert 16. Dezember 1878 in Berlin:
»Die vierte Quartettsoirée der Herren Prof. Joachim und Genossen am 15. Dezember brachte uns ein neues Werk von Bernhard Scholz, ein Quintett in E-moll op. 44 [sic]. Nach Mozart’s A-dur-Quartett op. 5, das den Abend eröffnete, machte uns dieses Werk den Eindruck, als ob wir aus einem geschmackvollen, lieblichen Zimmer in ein prachtvolles, mit allem Comfort der Neuzeit ausgestattetes Gemach träten; dort herzgewinnende Einfalt und Lieblichkeit, hier Glanz, Fülle und Vornehmheit. B. Scholz wurzelt mit seinem Denken und Empfinden in dem Boden unsrer Zeit, der befruchtet von den Ideen Schubert’s, Schumann’s und Brahms‘ auch die Blüthen seiner Muse zu schönen lebensvollen Gebilden gezeitigt hat. B. Sch. ist Meister in der Behandlung des schwierigen Quartettstyls, nächst Kiel und Brahms dürfte es ihm keiner der Neueren darin gleichthun, aber es ist nicht nur die kunstvolle Arbeit, es ist auch die poetische Sprache, die logisch entwickelte Gedankenfolge, welche uns in seinen Werken und ganz besonders in dem, welches wir heut hörten, fesselt. Im ersten Satz interessirten uns besonders die edle Melodik und die feinen harmonischen Wendungen, im Scherzo die geistvollen Kombinationen der Stimmführung und die anmuthende Frische und Grazie, im Andante espressivo die tiefe ergreifende Empfindung. Der letzte Satz hat in seiner Grundstimmung viel Aehnlichkeit mit dem Andante, wirkte demzufolge nicht so unmittelbar wie die übrigen Sätze. So begrüssen wir dies Werk als eine hochwillkommene Bereicherung der Kammermusik-Literatur. Die Aufnahme seitens des Publikums war eine sehr freundliche und wir sind überzeugt, Herr Prof. Joachim würde sich den Dank aller Besucher seiner Soiréen erwerben, wollte er das Werk in dieser Saison noch einmal zur Aufführung bringen.
Ueber die Ausführung lässt sich wie gewöhnlich nur mit höchster Anerkennung berichten.«
MWb 10/6 (31. Januar 1879), S. 68f.: zum Konzert 28. Januar 1879 in Leipzig:
»Im Gewandhaus begann in derselben Woche auch der 2. Cyklus der Kammermusik mit folgendem Programm: Quintett für Streichinstrumente in Emoll, Op. 47, v. B. Scholz, Variationen für zwei Pianoforte über eine Sarabande von S. Bach von C. Reinecke, Streichquartett Op. 132 von Beethoven, Andante und Variationen für zwei Pianoforte von Schumann. Frl. Zélia Moriamé aus Brüssel, eine Schülerin des Hrn. Reinecke, und dieser selbst besorgten die Claviervariationen, die HH. Röntgen, Bolland, Thümer, Schröder und Pester die Streichinstrumente. Der Ausführung lässt sich nur Gutes nachsagen […]. Das neue Quintett von B. Scholz haben wir leider nur in seiner zweiten Hälfte gehört. Erwärmt sind wir von keinem dieser beiden Sätze, das ist sicher recht solide Hausmannskost, aber Jedes an seinem Platze! Sollte nicht, wenn man auf Novitätensuche nun einmal wie in diesem Winter ausnahmsweise nur nach Quintetten fahndet, ein anderes bedeutenderes Werk dieser Gattung – mit oder ohne Clavier – zu finden gewesen sein? Die Variationen von Reinecke tragen schon eine ältere Opuszahl, haben uns aber trotzdem besser gefallen, als Scholz' noch drucknasses Quintett.«
AmZ 14/6 (5. Februar 1879), S. 94: zum Konzert 28. Januar 1879 in Leipzig:
»Letztere Dame lernten wie auch in der letzten Kammermusiksoirée im Zwei-Flügel-Spiel mit Reinecke als eine vortreffliche Pianistin kennen (Variationen Op. 34 von Reinecke und Andante mit Variationen von Schumann); der Abend brachte ausserdem das Streich-Quintett Op. 47 von B. Scholz und das grosse A moll-Quartett Op. 132 von Beethoven. Scholz' Quartett krankt an einem sehr modernen Fehler – die Streichinstrumente rasseln zu viel. An der ersten Violine sass Röntgenmit seinem schönen weichen Tone.«
NZfM 75/8 (14. Februar 1879), S. 77: zum Konzert 28. Januar 1879 in Leipzig:
»Zur Ehre des Leipziger Publikums muß ich berichten, daß die erste Gewandhaus=Kammermusik des zweiten Cyclus am 28. Jan. zahlreicher besucht war, als die vorhergehenden. Es ist dies um so wünschenswerther, da sich hier keine andere öffentliche Gelegenheit bietet, die Werke dieser Kunstgattung zu hören. Die H.H. Röntgen, Vollandt, Thümer, Schröder und Pester führten ein neues Quintett (Op. 47 in Emoll) von B. Scholz vor, das durch seine warm empfundene Melodik ansprach. Fast durchgängig polyphon gehalten, gestalten sich dennoch alle thematischen Entwickelungen und Motivbearbeitungen klar verständlich, kurz und bündig. Ueber zu langes Ausspinnen der Gedanken hat man sich niemals zu beklagen. Wäre in die vorherrschend elegische Stimmung noch ein anderes, heiteres Lebenselement getreten, so wäre die Wirkung vielleicht nachhaltiger geworden. Die Ausführung war vortrefflich.«
SmW (1879), S. 148: zum Konzert 28. Januar 1879 in Leipzig:
»Das Quintett von Scholz – großentheils recht gut durch die Herren Concertmeister Röntgen, Bolland, Thümer, Schröder und Vetter ausgeführt – zeigt vor allen Dingen eine tüchtige, von gewiegter Musikerhand herrührende Factur, sowie auch manche nicht üble Züge der Erfindung; doch ist es auch wiederum nicht frei von Schwerfälligkeiten und Gesuchtheiten, die das ursprünglich hübsch und natürlich Angelegte im Verlauf der Ausführung trüben und entstellen. Am meisten leid thut es uns um das Scherzo und das Adagio, welche Sätze ohne die beregten Mißstände kraft ihres Inhalts als die anziehendsten des ganzen Werkes sich darzustellen geeignet gewesen wären. Der Erfolg, den das Quintett fand, war ein anständiger. Hier gleich das zweite Bogeninstrumentenstück – das Beethoven’sche Quartett […]«
The monthly musical record 9 (1. März 1879), S. 40: zum Konzert 28. Januar 1879 in Leipzig
[hier falsches Datum 25. Januar angegeben]:
»On the 25th January we became acquainted with two interesting novelties, a quintett [sic] for string instruments, Op. 47, by Bernhard Scholz, and variations on a Sarabande by Bach, composed for two pianos by Reinecke. Scholz’s quintett is a genuine work of art. Reinecke’s variations were formerly published as pianoforte duet, Op. 24, and about a year ago he arranged them fort wo pianos. From Bach’s themes the composer has made the most interesting and pretty combinations. Herr Reinecke played these variations with one of his pupils, Frl. Zélia Moriamé, of Brussels. Beethoven’s string quartett (Op. 132, A minor), in the hands of Messrs. Röntgen, Haubold, Thümer, and Schröder, enraptured the audience.«
MWb 10/19 (2. Mai 1879), S. 232: zum Konzert 25. Januar 1879 in Bon:
»Ein neues Quintett von B. Scholz in der 4. Soirée für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelle in vier Sätzen fand wohl mehr durch das treffliche Spiel der Mitwirkenden, als durch seinen inneren Gehalt Anerkennung.«
Illustrierter Kalender für… (1879), S. 94:
»Bernhard Scholz beweist sich in seinem Emoll-Streichquintett als ein vorzüglicher Beherrscher der Satztechnik, aber sein Ideenkreis entbehrt die nöthige Breite und Weite.«


»Das einzige Quintett, das wir Bernhard Scholz (1835–1916) verdanken, sein 1878 mit der Widmung an Brahms veröffentlichtes op. 47, das von seinen beiden Streichquartetten eingeschlossen ist, möchte ich über diese stellen; es ist übrigens wie das erste Quartett preisgekrönt, und zwar vom Verein für Kammermusik in St. Petersburg. Das zweite Violoncell ist klanglich gut ausgenutzt, die thematische Arbeit muß als vortrefflich bezeichnet werden. Eine gewisse Größe in der Erfindung ist beiden Hauptthemen des ersten Satzes (Allegro moderato 4/4, e) zuzusprechen; dem ersten steht der legendenartige Ton besonders gut. Ungemein ansprechend ist das Scherzo, das nur eine Metronom-, keine Taktbezeichnung trägt. Während der Hauptteil (¾, C) einer Mazurka gleicht, erklingt als Zwischenteil ein Walzer. Das Andante espressivo (4/4, E), eine Art Romanze, steht trotz mancher klanglicher Reize in bezug auf Wärme der Erfindung hinter der Erwartung zurück. Recht flott und auch markig ist das Hauptthema des Allegro vivace (2/2, e; später E), doch verdient das Gesangsthema in bezug auf gewählte Erfindung den Vorzug. Immerhin ist dieser Schlußsatz wirkungsvoll, wenn er auch nicht die künstlerische Höhe des ersten Satzes erreicht hat. Wenn auch dieses Quintett, das sich gut spielt und ohne besondere Schwierigkeiten ist, für die Öffentlichkeit nicht mehr in Frage kommen kann, weil es doch nur als Werk eines Beethoven- und Brahms-Epigonen eingeschätzt werden würde, so dürfte man es in Dilettantenkreisen doch noch willkommen heißen.«
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