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Brahms gewidmet | Projektbericht

Einleitung

Für Johannes Brahms stellte eine Werkwidmung nicht allein eine konventionelle Geste dar – sie sei vielmehr, so der Komponist, als »das ehrenvollste und freundlichste Geschenk, das gegeben und empfangen werden kann« von großer ideeller Bedeutung. Ausdruck dieser Sicht ist unter anderem auch die handschriftliche Zueignungsliste, die Brahms mit großer Akribie bis zu seinem Tod führte. Verzeichnet sind hier 74 Kompositionen, die ihm zwischen 1853 und 1897 offiziell im Druck gewidmet wurden. Vollständig ist das Verzeichnis allerdings nicht: Bis zu seinem Tod wurden Brahms nach heutigem Kenntnisstand mindestens 88 musikalische Werke zugeeignet, bis 1902 kamen acht weitere Kompositionen, die dem Andenken des Verstorbenen geweiht sind, hinzu. Aus diesem Konvolut greift das Editionsprojekt »Brahms gewidmet« zwei Werke beispielhaft heraus: Das Klavierquartett op. 6 von Hermann Goetz sowie das Streichquintett op. 47 von Bernhard Scholz.

Im Vordergrund steht freilich weniger die Realisierung von innovativen Editionsansätzen (liegen beide Werke doch bereits in historischen Erstdrucken bereits vor), sondern in der Realisierung einer breiten begleitenden und kontextualisierenden Dokumentation. Das jeweils zu edierende Einzelwerk erhält seine musikhistorische Signifikanz demnach erst im Kontext des neu zu vermessenden historischen Bedeutungsfeldes, das über die Bereitstellung von Materialien auch theoretisch und historiographisch erschlossen wird. In einer Weiterentwicklung des theoretischen Ansatzes des Literaturwissenschaftlers Gérard Genette – und in Übereinstimmung mit Johannes Brahms – wird unter »Widmung« an dieser Stelle nicht nur ein sozialgeschichtliches Phänomen verstanden, sondern ein komplexer Vorgang, der über die Entstehungsgeschichte hinaus die gesellschaftliche Positionierung und durch die Drucklegung des dedizierten Werkes eine öffentliche Kommunikation, d. h. eine Rezeptionsstrategie des Komponisten intendiert. Im Editionsvorhaben »Brahms gewidmet« steht demnach paradigmatisch ein Werkbegriff im Hintergrund, der in diachroner Dimension – über den Notentext hinaus – als »Metatext« zu verstehen wäre, als Metatext unterschiedlicher Einzeltexte und -textsorten, die in der Dokumentation aufgegriffen werden.

Warum jedoch die Auswahl gerade von Kammermusikwerken? Ohne Brahms mit Carl Dahlhaus auf die »Idee der Kammermusik« reduzieren zu wollen, ist offensichtlich, dass der Wahl-Wiener schon bei den Zeitgenossen als zentrale Figur der kammermusikalischen Tradition galt, ja er wurde vom Umfeld im Parteienstreit um die Zukunftsmusik als Identifikationsfigur verstanden, gleichsam als kammermusikalisches ›Bollwerk‹ gegen die Sinfonische Dichtung der »Neudeutschen« und das monumentale Musikdrama Wagners. Die gut 20 Kammermusikwerke, die Brahms gewidmet sind, gehören fraglos zu den profiliertesten Werken im Repertoire der Widmungskompositionen. Somit sind die zwei im Fokus stehenden kammermusikalischen Kompositionen auch als komplexe Positionsbestimmungen zu verstehen: zum Widmungsträger Brahms und zum historischen Horizont, in dem sich die Werke entfalten.

Ermöglicht wurde die Arbeit durch die großzügige Förderung der VolkswagenStiftung, die »Brahms gewidmet« nach verschiedenen Evaluationen im Januar 2013 in ihr Förderprogramm aufgenommen hat. Dank geht auch an die Staatsbibliothek Berlin, Preußischer Kulturbesitz sowie das Archiv Breitkopf & Härtel (als Depositum im Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig), die die Arbeit durch das großzügige Bereitstellen von Quellen unterstützt haben. Anknüpfend an das Promotionsvorhaben »Brahms gewidmet«, das das gesamte Konvolut der Brahms zugeeigneten Kompositionen in den Fokus rückte, wurde das hier dokumentierte Editionsvorhaben entwickelt. Es stellt zwei Kammermusikwerke in den Mittelpunkt, die nicht nur in einer neuen Notenausgabe der interessierten Öffentlichkeit bereitgestellt werden, sondern zusätzlich durch Essays, Dokumente und Quellen von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Dieser neuartige umfassende Ansatz soll das thematische Konzept des Bandes herausstellen und Verknüpfungen und Querverweise leichter sichtbar machen. Sie nahm das Vorhaben als Pilotprojekt zum Langzeitvorhaben »Bürgerliche Musikkultur in Deutschland im 19. Jahrhundert. Dokumentation – Edition – Reflexion« in ihr Förderprogramm auf.

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